- juris.de: Das Urteil im Volltext
- spielbar.com: Diskussion u.a. mit dem GF des Humboldt Verlages
- spielblog.com: Interessante Beiträge im neuen SAZ-blog
- spielen.at-Interview: Sieg für die Presse- und Meinungsfreiheit
- Boersenblatt.net: Empörte Leser-Kommentare zum Humboldt Verlag
- SAZ-Stellungnahme: "Spiele fallen unters Urheberrecht ..."
- SAZ-Pressemitteilung: "... oder nur unter einen Verlags-Ehrenkodex"
- Knizia auf reich-der-spiele.com: "Mal gewinnt man, mal verliert man"
- Weitere Linktipps zum Urheberrecht
Wenn ein Analphabet die Schöpfungshöhe eines Romans beurteilen soll,
jedoch nicht einmal weiß, dass es lesbare Schrift gibt, hat er keine
Chance, eine individuelle geistige Schöpfung im Schriftwerk zu erkennen.
So unwissend in Bezug auf Spiele erscheinen mir die 'An-ludo-ten' des
Landgerichts Mannheim, die dem eigentlichen Regelwerk eines Würfelspiels
aus grundsätzlichen Erwägungen heraus keinerlei Urheberrechtsfähigkeit
zubilligen.
Aus diesem Grund beschäftigt sich dieser Newsletter schwerpunktmäßig
mit dem Urteil des LG Mannheim, dem Urheberrecht an Spielen und der
Berichterstattung darüber.
1. juris.de: Das Urteil im Volltext
Zunächst das URTEIL des LG MANNHEIMS, das seit einigen Tagen auf juris.de im
anonymisierten VOLLTEXT zu lesen ist:
Die Richter haben offensichtlich nicht verstanden, was ein Spiel
ausmacht, sich nicht einmal darum bemüht zu verstehen. Mit ihrem
Nichtwissen stehen sie jedoch nicht allein. Selbst Spieleautoren
fühlen oftmals mehr, was das Schützenswerte an ihrem Spiel ist,
als dass sie es wirklich wissen.
Das Verdienst des Landgerichts Mannheim ist es, uns Spieleautoren
über das Urteil in Empörung zu versetzen, uns darüber zum
Nachdenken zu bringen, was uns empört, und das miteinander zu
diskutieren.
2. spielbar.com: Diskussion u.a. mit dem GF des Humboldt Verlages
Noch Anfang Juni 08 auf der letzten Mitgliederversammlung der
Spieleautorenzunft (SAZ) herrschte beim Tagesordnungspunkt
‚Urteil des LG Mannheims’ allgemeines Achselzucken vor. Niemand
kannte den Inhalt des Urteils. Die Diskussion fand zunächst
außerhalb der SAZ statt, vor allem in PEER SYLVESTERS BLOG
http://www.spielbar.com/ .
Hier diskutiert u.a. ECKHARD SCHWETTMANN, Geschäftsführer des
HUMBOLDT VERLAGES, eifrig und geduldig mit, stellt auch manches
klar: (Un)geschützte Ideen
3. spielblog.com: Interessante Beiträge im neuen SAZ-blog
Recht schnell hat dann aber auch die SAZ einen blog ins Netz gestellt.
Während die Diskussion auf spielbar.com allmählich von der – ebenfalls
lesenswerten – Vorstellung internationaler Kleinverlage auf die
hinteren Seiten verdrängt wird, konzentriert sich der SAZ-BLOG
http://spielblog.com/ bisher auf die Diskussion der Urteilsbegründung.
Hauptthema ist hier der schutzwürdige Inhalt eines Spielregelwerkes
(Wolfgang Kramer: Das Wesen des Spiels verkannt; Günter Cornett:
Fabelhaftes Urheberrecht; Stellungnahme des SAZ-Verwaltungsrates:
Das Urheberrecht gilt auch für Spiele). Sehr überzeugend finde ich
auch den Kommentar von Andreas Schäfer zur Unterscheidung zwischen
Regeln, die eine bereits existierende Tätigkeit regeln
(Straßenverkehr, Gerätebedienung) und einem Regelwerk, dass erst
erschafft, was es regelt (Spielregeln). Klingt anfangs etwas
kompliziert, wird im Laufe des Beitrages aber sehr verständlich
beschrieben:
http://spielblog.com/2008/07/fabelhaftes-urheberrecht/#comments [Link nicht mehr aktiv, da die SAZ den blog im November 2008 klammheimlich - ohne die Autoren zu informieren - eingestellt hat. Siehe auch Artikel vom 3. März 09: Die SAZ stellt Blog zum Urheberrecht ein - angeblich aus Kostengründen - Günter Cornett 5.März 09]
4. spielen.at-Interview: Sieg für die Presse- und Meinungsfreiheit
Zwar ist es unter Spieleautoren und auch sonst in der Szene
weitgehend Konsens, dass Spiele, auch Würfelspiele, grundsätzlich
urheberrechtsfähige Werke sind. Dennoch wurde das Urteil in der
Szene nicht nur kritisiert sondern auch ausdrücklich begrüßt:
"Bücher fördern das Kulturgut Spiel
... Oft wird der Wert eines Kulturgutes daran gemessen, wie
viele Laufmeter Bücher in einer Bibliothek zum Thema stehen.
Da sieht es beim Thema Spiel sehr schlecht aus. Die rührige
Ausnahme ist da der Humboldt Verlag, der seit vielen Jahren
mit Büchern zum Spiel diese Lücke zu füllt. Der Versuch durch
Gerichtsbeschluss diese Veröffentlichungen zu stoppen ist
zwar gescheitert, wir möchten aber gerne die Hintergründe
wissen."
schreibt kein geringerer als FERDINAND DE CASSAN in seinem Blog
als Einleitung zu seinem INTERVIEW mit ECKHARD SCHWETTMANN, dem
Geschäftsführer des Humboldt Verlages:
Die Einschätzung, Reiner Knizia wolle generell verhindern, dass
Bücher über Spiele herausgegeben werden, ist sicher überzogen.
Das Argument der PRESSE- UND MEINUNGSFREIHEIT wiegt aber gerade
im Fall der Humboldt-Enzyklopädie schwer. Hugo Kastner reiht nicht
nur Spielanleitung an Spielanleitung sondern setzt sich in vielen
Fällen inhaltlich mit den Werken auseinander. Betrachtungen zu
Wahrscheinlichkeitsberechnungen im Spiel Gladiator oder eine
ausführliche Rezension zu Heckmeck am Bratwurmeck folgen auf
die Spielbeschreibungen.
In solchen Fällen ist ein VOLLZITAT des Werkes meiner Meinung nach
auch formaljuristisch ausdrücklich vom Urheberrecht gedeckt:
§51 UrhG:
"Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche
Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats,
sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck
gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein
selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung
des Inhalts aufgenommen werden,
..."
Quelle: http://www.jusline.de/
Ich halte diesen Paragraphen für ausgesprochen sinnvoll. Eine
Darstellung der Regeln im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung
muss möglich sein und dient letztlich auch der Verbreitung des Werkes
– sofern es sich nicht um eine Alibi-Funktion für die Nutzung des
Werkes handelt.
Dennoch lassen sich wohl nicht alle Veröffentlichungen in dem Buch
durch dieses ZITATRECHT legitimieren. Herr Schwettmann führt für
andere Fälle an, dass sich viele Würfelspiele kaum voneinander und
von den alten Klassikern unterscheiden, bestreitet damit die
Schöpfungshöhe vieler in dem Buch vorgestellten Spiele:
"Das war dann aber kein Thema bei Gericht. Es ist ja so:
Würfelspiele gibt es schon seit rund 5.000 Jahren. In dieser
Zeit haben sich viele Spiele entwickelt und niemand kann
nachvollziehen wer wann was "erfunden" hat. Daher sind
Spielideen auch nicht schutzfähig, das ist
ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes."
Herr Schwettmann stellt sich damit schon in einen gewissen Gegensatz
zu seinem Buchautor Hugo Kastner, der an verschiedenen Stellen den
Werkscharakter der Spiele hervorhebt und gerade die Werke von Reiner
Knizia in höchsten Tönen lobt:
"HECKMECK ist eine weitere exzellente Würfelidee des Meisters der
Spielkunst, Reiner Knizia. Was er an Dramatik, Taktik und Spannung
mit nur acht Würfeln und ein paar Spielsteinen auf den Tisch
zaubert, grenzt an ein kleines Wunder."
(H. Kastner, die große Humboldt Enzyklopädie der Würfelspiele, S.192)
Darüberhinaus halte ich obige Schlussfolgerung für falsch,
Spielideen seien nicht schutzfähig, weil man nicht feststellen
könne, wer was wann erfunden habe. Natürlich gibt es Spiele, wie
Memory und Mensch-Ärgere-Dich-Nicht, die inzwischen Allgemeingut
geworden sind (inhaltlich – Marke/Titel gehören Ravensburger
bzw. Schmidt Spiele). Der Grund ist die zu geringe Schöpfungshöhe
gegenüber einer jahrhundertealten Vorlage.
Das gilt sicher auch für einige der in der Humboldt-Enzyklopädie
aufgeführten Würfelspiele, vermutlich aber nicht für alle. Dort,
wo Hugo Kastner gerade das Spiel von Reiner Knizia als bestes Werk
seiner Klasse lobt, dürfte zumindest eine urheberrechtlich relevante
Bearbeitung durch Reiner Knizia vorliegen. Die Chance, dies im
konkreten Fall gerichtsfest zu beweisen oder zu widerlegen, wurde
den Prozessbeteiligten durch das Urteil des Landgerichts
Mannheim genommen.
5. Boersenblatt.net: Empörte Leser-Kommentare zum Humboldt Verlag
Das hat auch für den Ruf des siegreichen Humboldt Verlages negative
Konsequenzen. Steht er nun zumindest für Teile der Öffentlichkeit
als Buhmann da, der sich an der Arbeit kreativer Köpfe unangemessen
bereichere. So lassen es die LESER-KOMMENTARE auf boersenblatt.net
(der Online-Ausgabe des BÖRSENBLATTS, Wochenmagazin für den Deutschen
Buchhandel) nicht an Deutlichkeit fehlen:
"Ein Verlag, der per definition selbst vom Urheberrecht lebt,
versucht das Urheberrecht in anderen Branchen klein zu machen."
(Sven)
"Spielregeln stellen die Quintessenz von oft jahrelanger kreativer
Entwicklungsarbeit dar - sie sind, stärker noch als die Materialien,
das Spiel ... Das respektieren der geistigen Leistung von Urhebern
ist der Kern der gesamten Verlagsbranche - eine Botschaft, die sich
offensichtlich nicht bei Humbolt herumgesprochen hat."
(Michael)
"Unglaublich, wie hier anscheinend mit zweierlei Maß gemessen wird.
Geistiges Eigentum, das in Buchform publiziert wird scheint
schützenswert, anderes dagegen nicht."
(Marc O. Szodruch)
6. SAZ-Stellungnahme: "Spiele fallen unters Urheberrecht ..."
Auch VORSTAND und VERWALTUNGSRAT der SAZ bezogen in ihrer STELLUNGNAHME
vom 2. Juli Position zum Urheberrecht an Spielen und gegen das
Mannheimer Urteil:
"Das Urheberrecht umfasst ... auch das Spiel in seinem Spielablauf,
also der Summe aller Spielmechanismen, ohne dass es auf das häufig
beliebige Thema oder die Grafik ankommt. Das LG Mannheim hat diesen
konkretisierten Spielablauf mit einer abstrakten, noch nicht
konkretisierten Idee verwechselt ..."
7. SAZ-Pressemitteilung: "... oder nur unter einen Verlags-Ehrenkodex"
Leider verfassten Vertreter der selben Gremien nur wenige Tage später
eine SAZ-PRESSEMITTEILUNG, in der sie den bestehenden juristischen
Schutz verneinten und damit indirekt auch Honorarzahlungen von Verlagen
als freiwillige auf einem bloßen Ehrenkodex basierenden Leistungen
darstellten, zu denen diese formaljuristisch gar nicht verpflichtet
seien:
"... bisher hat es noch kaum Vorstöße gegeben, am Stiefkind-Status
der Spiele innerhalb des Urheberrechts etwas zu ändern. Das liegt
unter anderem daran, dass die prekäre Situation für Spieleautoren
nur in der Theorie besteht, denn innerhalb der Branche – zumindest
bei allen renommierten Verlagen – gilt es als unbestreitbar, dass
Veröffentlichungen von Autorenspielen eine Einräumung von
Nutzungsrechten durch den Spieleautor voraussetzen. Dieser
Ehrenkodex sollte aber auch auf eine rechtliche Basis gestellt
werden, um auch "Schwarzen Schafen" die Möglichkeit zu nehmen,
sich der geistigen Leistungen anderer zu bedienen."
Danke, liebe SAZ, meine Interessenver- in diesem Fall wohl eher
–zertretung. Wie schon bei der Begrüßung der Ravensburger
Spieleautoren-Gebühr vor vier Jahren hat ein Vorstand mal wieder
ein offizielles Statement herausgegeben, bei dem er wissen müsste,
dass es der Meinung vieler Mitglieder widerspricht, darunter
mutmaßlich auch den Verfassern eben dieser PM. Einer der
Unterzeichner, Stefan Risthaus, Fachanwalt für gewerblichen
Rechtsschutz und Mitglied des SAZ-Verwaltungsrates kritisiert
in der kürzlich erschienen Print-Ausgabe der SPIELBOX das Urteil als
nicht überzeugend (Heft 4/2008, S.15), die Annahme des Gerichts,
Spielideen seien als solche nicht schutzfähig greife zu kurz.
Insgesamt sei das Urteil davon geprägt, dass Juristen keinen
Zugang zur Welt der Spiele haben.
Wie passt das zusammen?
Und wie vor vier Jahren sehe ich die Interessen der Spieleautoren
wieder mal viel besser durch den Chefredakteur der spielbox vertreten,
der in dieser Angelegenheit der SAZ empfiehlt, Stärke zu zeigen
anstatt einen Ehrenkodex zu bemühen, welcher schnell in
Vergessenheit geraten könne.
8. Knizia auf reich-der-spiele.com: "Mal gewinnt man, mal verliert man"
Und was sagt REINER KNIZIA dazu?
"Solche Prozesse sind immer vom Einzelfall abhängig,
mal gewinnt man, mal verliert man."
Dies und noch ein paar weitere Worte äußerte er im Interview
auf reich-der-spiele.com . Nun denn, beim nächsten Mal kann man
sich dann wohl die Verhandlung sparen und gleich per Würfelwurf
entscheiden, wer im Recht ist.
9. Weitere Linktipps zum Urheberrecht: