10. August 2008 /
5. März 2009 (Links aktualisiert / erklärenden Hinweis dazu eingefügt)
 
    Zum Urteil Knizia ./. Humboldt
 
    1. juris.de: Das Urteil im Volltext
    2. spielbar.com: Diskussion u.a. mit dem GF des Humboldt Verlages
    3. spielblog.com: Interessante Beiträge im neuen SAZ-blog
    4. spielen.at-Interview: Sieg für die Presse- und Meinungsfreiheit
    5. Boersenblatt.net: Empörte Leser-Kommentare zum Humboldt Verlag
    6. SAZ-Stellungnahme: "Spiele fallen unters Urheberrecht ..."
    7. SAZ-Pressemitteilung: "... oder nur unter einen Verlags-Ehrenkodex"
    8. Knizia auf reich-der-spiele.com: "Mal gewinnt man, mal verliert man"
       
    9. Weitere Linktipps zum Urheberrecht
     

    Wenn ein Analphabet die Schöpfungshöhe eines Romans beurteilen soll, jedoch nicht einmal weiß, dass es lesbare Schrift gibt, hat er keine Chance, eine individuelle geistige Schöpfung im Schriftwerk zu erkennen.

    So unwissend in Bezug auf Spiele erscheinen mir die 'An-ludo-ten' des Landgerichts Mannheim, die dem eigentlichen Regelwerk eines Würfelspiels aus grundsätzlichen Erwägungen heraus keinerlei Urheberrechtsfähigkeit zubilligen.

    Aus diesem Grund beschäftigt sich dieser Newsletter schwerpunktmäßig mit dem Urteil des LG Mannheim, dem Urheberrecht an Spielen und der Berichterstattung darüber.

     

    1. juris.de: Das Urteil im Volltext

    Zunächst das URTEIL des LG MANNHEIMS, das seit einigen Tagen auf juris.de im anonymisierten VOLLTEXT zu lesen ist:

    Die Richter haben offensichtlich nicht verstanden, was ein Spiel ausmacht, sich nicht einmal darum bemüht zu verstehen. Mit ihrem Nichtwissen stehen sie jedoch nicht allein. Selbst Spieleautoren fühlen oftmals mehr, was das Schützenswerte an ihrem Spiel ist, als dass sie es wirklich wissen.

    Das Verdienst des Landgerichts Mannheim ist es, uns Spieleautoren über das Urteil in Empörung zu versetzen, uns darüber zum Nachdenken zu bringen, was uns empört, und das miteinander zu diskutieren.

     

    2. spielbar.com: Diskussion u.a. mit dem GF des Humboldt Verlages

    Noch Anfang Juni 08 auf der letzten Mitgliederversammlung der Spieleautorenzunft (SAZ) herrschte beim Tagesordnungspunkt ‚Urteil des LG Mannheims’ allgemeines Achselzucken vor. Niemand kannte den Inhalt des Urteils. Die Diskussion fand zunächst außerhalb der SAZ statt, vor allem in PEER SYLVESTERS BLOG http://www.spielbar.com/ . Hier diskutiert u.a. ECKHARD SCHWETTMANN, Geschäftsführer des HUMBOLDT VERLAGES, eifrig und geduldig mit, stellt auch manches klar: (Un)geschützte Ideen

     

    3. spielblog.com: Interessante Beiträge im neuen SAZ-blog

    Recht schnell hat dann aber auch die SAZ einen blog ins Netz gestellt. Während die Diskussion auf spielbar.com allmählich von der – ebenfalls lesenswerten – Vorstellung internationaler Kleinverlage auf die hinteren Seiten verdrängt wird, konzentriert sich der SAZ-BLOG http://spielblog.com/ bisher auf die Diskussion der Urteilsbegründung.

    Hauptthema ist hier der schutzwürdige Inhalt eines Spielregelwerkes (Wolfgang Kramer: Das Wesen des Spiels verkannt; Günter Cornett: Fabelhaftes Urheberrecht; Stellungnahme des SAZ-Verwaltungsrates: Das Urheberrecht gilt auch für Spiele). Sehr überzeugend finde ich auch den Kommentar von Andreas Schäfer zur Unterscheidung zwischen Regeln, die eine bereits existierende Tätigkeit regeln (Straßenverkehr, Gerätebedienung) und einem Regelwerk, dass erst erschafft, was es regelt (Spielregeln). Klingt anfangs etwas kompliziert, wird im Laufe des Beitrages aber sehr verständlich beschrieben: http://spielblog.com/2008/07/fabelhaftes-urheberrecht/#comments [Link nicht mehr aktiv, da die SAZ den blog im November 2008 klammheimlich - ohne die Autoren zu informieren - eingestellt hat. Siehe auch Artikel vom 3. März 09: Die SAZ stellt Blog zum Urheberrecht ein - angeblich aus Kostengründen - Günter Cornett 5.März 09]

     

    4. spielen.at-Interview: Sieg für die Presse- und Meinungsfreiheit

    Zwar ist es unter Spieleautoren und auch sonst in der Szene weitgehend Konsens, dass Spiele, auch Würfelspiele, grundsätzlich urheberrechtsfähige Werke sind. Dennoch wurde das Urteil in der Szene nicht nur kritisiert sondern auch ausdrücklich begrüßt:

      "Bücher fördern das Kulturgut Spiel ... Oft wird der Wert eines Kulturgutes daran gemessen, wie viele Laufmeter Bücher in einer Bibliothek zum Thema stehen. Da sieht es beim Thema Spiel sehr schlecht aus. Die rührige Ausnahme ist da der Humboldt Verlag, der seit vielen Jahren mit Büchern zum Spiel diese Lücke zu füllt. Der Versuch durch Gerichtsbeschluss diese Veröffentlichungen zu stoppen ist zwar gescheitert, wir möchten aber gerne die Hintergründe wissen."

    schreibt kein geringerer als FERDINAND DE CASSAN in seinem Blog als Einleitung zu seinem INTERVIEW mit ECKHARD SCHWETTMANN, dem Geschäftsführer des Humboldt Verlages:

    Die Einschätzung, Reiner Knizia wolle generell verhindern, dass Bücher über Spiele herausgegeben werden, ist sicher überzogen. Das Argument der PRESSE- UND MEINUNGSFREIHEIT wiegt aber gerade im Fall der Humboldt-Enzyklopädie schwer. Hugo Kastner reiht nicht nur Spielanleitung an Spielanleitung sondern setzt sich in vielen Fällen inhaltlich mit den Werken auseinander. Betrachtungen zu Wahrscheinlichkeitsberechnungen im Spiel Gladiator oder eine ausführliche Rezension zu Heckmeck am Bratwurmeck folgen auf die Spielbeschreibungen.

    In solchen Fällen ist ein VOLLZITAT des Werkes meiner Meinung nach auch formaljuristisch ausdrücklich vom Urheberrecht gedeckt:

      §51 UrhG:
      "Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zweck des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist. Zulässig ist dies insbesondere, wenn
        1. einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufgenommen werden,
      ..."

    Quelle: http://www.jusline.de/

    Ich halte diesen Paragraphen für ausgesprochen sinnvoll. Eine Darstellung der Regeln im Rahmen einer inhaltlichen Auseinandersetzung muss möglich sein und dient letztlich auch der Verbreitung des Werkes – sofern es sich nicht um eine Alibi-Funktion für die Nutzung des Werkes handelt.

    Dennoch lassen sich wohl nicht alle Veröffentlichungen in dem Buch durch dieses ZITATRECHT legitimieren. Herr Schwettmann führt für andere Fälle an, dass sich viele Würfelspiele kaum voneinander und von den alten Klassikern unterscheiden, bestreitet damit die Schöpfungshöhe vieler in dem Buch vorgestellten Spiele:

      "Das war dann aber kein Thema bei Gericht. Es ist ja so: Würfelspiele gibt es schon seit rund 5.000 Jahren. In dieser Zeit haben sich viele Spiele entwickelt und niemand kann nachvollziehen wer wann was "erfunden" hat. Daher sind Spielideen auch nicht schutzfähig, das ist ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes."

    Herr Schwettmann stellt sich damit schon in einen gewissen Gegensatz zu seinem Buchautor Hugo Kastner, der an verschiedenen Stellen den Werkscharakter der Spiele hervorhebt und gerade die Werke von Reiner Knizia in höchsten Tönen lobt:

      "HECKMECK ist eine weitere exzellente Würfelidee des Meisters der Spielkunst, Reiner Knizia. Was er an Dramatik, Taktik und Spannung mit nur acht Würfeln und ein paar Spielsteinen auf den Tisch zaubert, grenzt an ein kleines Wunder."
      (H. Kastner, die große Humboldt Enzyklopädie der Würfelspiele, S.192)

    Darüberhinaus halte ich obige Schlussfolgerung für falsch, Spielideen seien nicht schutzfähig, weil man nicht feststellen könne, wer was wann erfunden habe. Natürlich gibt es Spiele, wie Memory und Mensch-Ärgere-Dich-Nicht, die inzwischen Allgemeingut geworden sind (inhaltlich – Marke/Titel gehören Ravensburger bzw. Schmidt Spiele). Der Grund ist die zu geringe Schöpfungshöhe gegenüber einer jahrhundertealten Vorlage.

    Das gilt sicher auch für einige der in der Humboldt-Enzyklopädie aufgeführten Würfelspiele, vermutlich aber nicht für alle. Dort, wo Hugo Kastner gerade das Spiel von Reiner Knizia als bestes Werk seiner Klasse lobt, dürfte zumindest eine urheberrechtlich relevante Bearbeitung durch Reiner Knizia vorliegen. Die Chance, dies im konkreten Fall gerichtsfest zu beweisen oder zu widerlegen, wurde den Prozessbeteiligten durch das Urteil des Landgerichts Mannheim genommen.

     

    5. Boersenblatt.net: Empörte Leser-Kommentare zum Humboldt Verlag

    Das hat auch für den Ruf des siegreichen Humboldt Verlages negative Konsequenzen. Steht er nun zumindest für Teile der Öffentlichkeit als Buhmann da, der sich an der Arbeit kreativer Köpfe unangemessen bereichere. So lassen es die LESER-KOMMENTARE auf boersenblatt.net (der Online-Ausgabe des BÖRSENBLATTS, Wochenmagazin für den Deutschen Buchhandel) nicht an Deutlichkeit fehlen:

      "Ein Verlag, der per definition selbst vom Urheberrecht lebt, versucht das Urheberrecht in anderen Branchen klein zu machen."
      (Sven)
      "Spielregeln stellen die Quintessenz von oft jahrelanger kreativer Entwicklungsarbeit dar - sie sind, stärker noch als die Materialien, das Spiel ... Das respektieren der geistigen Leistung von Urhebern ist der Kern der gesamten Verlagsbranche - eine Botschaft, die sich offensichtlich nicht bei Humbolt herumgesprochen hat."
      (Michael)
      "Unglaublich, wie hier anscheinend mit zweierlei Maß gemessen wird. Geistiges Eigentum, das in Buchform publiziert wird scheint schützenswert, anderes dagegen nicht."
      (Marc O. Szodruch)
     

    6. SAZ-Stellungnahme: "Spiele fallen unters Urheberrecht ..."

    Auch VORSTAND und VERWALTUNGSRAT der SAZ bezogen in ihrer STELLUNGNAHME vom 2. Juli Position zum Urheberrecht an Spielen und gegen das Mannheimer Urteil:

      "Das Urheberrecht umfasst ... auch das Spiel in seinem Spielablauf, also der Summe aller Spielmechanismen, ohne dass es auf das häufig beliebige Thema oder die Grafik ankommt. Das LG Mannheim hat diesen konkretisierten Spielablauf mit einer abstrakten, noch nicht konkretisierten Idee verwechselt ..."
     

    7. SAZ-Pressemitteilung: "... oder nur unter einen Verlags-Ehrenkodex"

    Leider verfassten Vertreter der selben Gremien nur wenige Tage später eine SAZ-PRESSEMITTEILUNG, in der sie den bestehenden juristischen Schutz verneinten und damit indirekt auch Honorarzahlungen von Verlagen als freiwillige auf einem bloßen Ehrenkodex basierenden Leistungen darstellten, zu denen diese formaljuristisch gar nicht verpflichtet seien:

      "... bisher hat es noch kaum Vorstöße gegeben, am Stiefkind-Status der Spiele innerhalb des Urheberrechts etwas zu ändern. Das liegt unter anderem daran, dass die prekäre Situation für Spieleautoren nur in der Theorie besteht, denn innerhalb der Branche – zumindest bei allen renommierten Verlagen – gilt es als unbestreitbar, dass Veröffentlichungen von Autorenspielen eine Einräumung von Nutzungsrechten durch den Spieleautor voraussetzen. Dieser Ehrenkodex sollte aber auch auf eine rechtliche Basis gestellt werden, um auch "Schwarzen Schafen" die Möglichkeit zu nehmen, sich der geistigen Leistungen anderer zu bedienen."

    Danke, liebe SAZ, meine Interessenver- in diesem Fall wohl eher –zertretung. Wie schon bei der Begrüßung der Ravensburger Spieleautoren-Gebühr vor vier Jahren hat ein Vorstand mal wieder ein offizielles Statement herausgegeben, bei dem er wissen müsste, dass es der Meinung vieler Mitglieder widerspricht, darunter mutmaßlich auch den Verfassern eben dieser PM. Einer der Unterzeichner, Stefan Risthaus, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz und Mitglied des SAZ-Verwaltungsrates kritisiert in der kürzlich erschienen Print-Ausgabe der SPIELBOX das Urteil als nicht überzeugend (Heft 4/2008, S.15), die Annahme des Gerichts, Spielideen seien als solche nicht schutzfähig greife zu kurz. Insgesamt sei das Urteil davon geprägt, dass Juristen keinen Zugang zur Welt der Spiele haben.

    Wie passt das zusammen?

    Und wie vor vier Jahren sehe ich die Interessen der Spieleautoren wieder mal viel besser durch den Chefredakteur der spielbox vertreten, der in dieser Angelegenheit der SAZ empfiehlt, Stärke zu zeigen anstatt einen Ehrenkodex zu bemühen, welcher schnell in Vergessenheit geraten könne.

     

    8. Knizia auf reich-der-spiele.com: "Mal gewinnt man, mal verliert man"

    Und was sagt REINER KNIZIA dazu?

      "Solche Prozesse sind immer vom Einzelfall abhängig, mal gewinnt man, mal verliert man."

    Dies und noch ein paar weitere Worte äußerte er im Interview auf reich-der-spiele.com . Nun denn, beim nächsten Mal kann man sich dann wohl die Verhandlung sparen und gleich per Würfelwurf entscheiden, wer im Recht ist.

     

    9. Weitere Linktipps zum Urheberrecht:

 
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